Theodor Fontane

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland
 

Einführung
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland ist eine Ballade von Theodor Fontane aus dem Jahr 1889.
Das Werk
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit.

Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn's Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: »Junge, wiste 'ne Beer ?«
Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb 'ne Birn.«

So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.

Er fühlte sein Ende. 's war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit;
Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab.«
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
Sangen »Jesus meine Zuversicht«,
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
»He is dod nu. Wer giwt uns nu 'ne Beer ?«

So klagten die Kinder. Das war nicht recht -
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht;
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,
Der wußte genau, was damals er tat,
Als um eine Birn' ins Grab er bat,
Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.

Und die Jahre gingen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet's wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung' übern Kirchhof her,
So flüstert's im Baume: »Wiste 'ne Beer ?«
Und kommt ein Mädel, so flüstert's: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick gew' di 'ne Birn.«

So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.
Audio
Der Autor

Theodor Fontane wurde am 30. Dezember 1819 in Neuruppin geboren. Er stammte aus einer in Preußen heimisch gewordenen Hugenottenfamilie. Der Vater war Apotheker. Fontane besuchte bis 1832 das Gymnasium in Neuruppin und wechselte 1833 auf die Gewerbeschule nach Berlin. 1836 bis 1840 Apothekerlehre. Er gab 1849 seinen Apothekerberuf auf. Fontane arbeitete dann mit Unterbrechung bis 1859 als freier Mitarbeiter im Büro eines Ministeriums. Von 1855 bis 1859 war er in England als Berichterstatter unterwegs. Danach arbeitete er bis 1870 als Redakteur der Berliner "Kreuz-Zeitung". Von 1870 bis 1889 Theaterkritiker bei der "Vossischen Zeitung". Ab 1876 war Fontane Sekretär der Akademie der Künste Berlin und freier Schriftsteller. 1894 Ernennung zum Dr. phil. h.c. Fontane starb am 20. September 1898 in Berlin.

Werke u.a.:

  • 1878 Vor dem Sturm
  • 1880 Grete Minde
  • 1880 Wanderungen durch die Mark Brandenburg
  • 1882 L'Adultera
  • 1885 Unterm Birnbaum
  • 1888 Irrungen, Wirrungen
  • 1890 Stine
  • 1891 Unwiederbringlich
  • 1892 Frau Jenny Treibel
  • 1894 Meine Kinderjahre (Autobiographie)
  • 1895 Effi Briest
  • 1896 Die Poggenpuhls
  • 1899 Der Stechlin
  •  
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