Das Lügengedicht
 

Einführung
Die Fassungen ist aus einem Ursprungsgedicht mit zwei oder drei Strophen hervorgegangen und wurden im Laufe der Zeit immer wieder erweitert. So kursieren heute unzählige Varianten, die sich kaum noch einem einzigen Gedicht zuschreiben lassen.

Der Ursprung des Gedichts ist nicht geklärt, wird aber im sächsischen Volksmund des 19. Jahrhunderts vermutet. Diverse Zuschreibungen zu konkreten Autoren beruhen in der Regel auf Verwechslungen, Textähnlichkeiten oder der Herausgeberschaft von Gedichtsammlungen. Häufig werden Goethe, Lewis Carroll und Christian Morgenstern als mutmaßliche Autoren genannt, dies ist jedoch nicht belegbar.

Die ältesten bekannten Niederschriften als mehrstrophiges Gedicht werden aufgeführt in 'Volksthümliches aus dem Königreich Sachsen', auf der Thomasschule gesammelt von Oskar Dähnhardt. Erstes Heft. Teubner, Leipzig 1898:
  • als Nr. 270 mit der Herkunftsangabe „Hentschel V.“, mit der Variante „Harrassowitz V.“ und
  • als Nr. 271 mit der Herkunftsangabe „Hordorff IV.“


  • In den darauf folgenden Jahren wurde das Gedicht in zahlreichen Drucken und Varianten verbreitet. Die heute wohl verbreitetste Fassung wurde von James Krüss beeinflusst, der 1965 das Liederbuch Hirtenflöte herausbrachte.
    Das Werk
    Dunkel war's der Mond schien helle,
    Schnee bedeckt die grüne Flur,
    als ein Auto blitzeschnelle,
    langsam um die Ecke fuhr.

    Drinnen saßen stehend Leute,
    schweigend ins Gespräch vertieft,
    als ein totgeschossner Hase,
    auf der Sandbank Schlittschuh lief.

    Auf 'ner grünen Banke,
    die rot angestrichen war,
    saß ein blondgelockter Jüngling
    mit kohlrabenschwarzem Haar.

    Neben ihm ne alte Schrulle,
    zählte kaum die 16 Jahr,
    in der Hand 'ne Butterstulle,
    die mit Schmalz bestrichen war.

    Droben auf dem Apfelbaume,
    der sehr süße Birnen trug,
    hing des Frühlings letzte Pflaume
    und an Nüssen noch genug.

    Ringsumher herrscht tiefes schweigen
    und mit fürchterlichem Krach,
    spielen in des Grases Zweigen
    zwei Kamele lautlos Schach.

    Und zwei Fische liefen munter
    durch das blaue Kornfeld hin,
    endlich ging die Sonne unter
    und ein grauer Tag erschien.

    Von der regennassen Straße
    wirbelte der Staub empor
    und der Junge bei der Hitze
    mächtig an den Ohren fror.

    Beide Hände in den Taschen
    hielt er sich die Augen zu,
    denn er konnte nicht ertragen,
    wie nach Veilchen roch die Kuh.

    Holder Engel, süßer Bengel,
    furchtbar liebes Trampeltier.
    Du hast Augen wie Sardellen,
    alle Ochsen gleichen Dir.

    Und ein Wagen fuhr im Trabe,
    rückwärts einen Berg hinauf.
    Droben zog ein alter Rabe
    grade eine Turmuhr auf.

    Dies' traurige Geschichte
    war so lustig wie noch nie,
    deshalb heißt's auf Wiedersehen,
    bleibe bei mir, oh Marie!

    Und das alles dichtet Goethe,
    als er in der Morgenröte,
    liegend auf dem Nachttopf saß
    und dabei 'ne Zeitung las.
    Audio
     
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